On labyrinth-shaped stone layouts in the Russian North
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Als ich im Sommer 1838 eine Fahrt im Finnischen Meerbusen machte, veranlasste das Aufhören des Windes, dass wir an der kleinen, völlig unbewohnten Insel Wier ausstiegen, welche etwa 8 Werst 1 Werst = 3500 engl. Fuß = 1,0668 km südlich von Hochland liegt. Dieses Eiland besteht ganz aus Geschieben, von denen viele so rund sind, dass man glauben könnte, sie wären auf der Drehbank geformt. Einige unter ihnen sind völlig kugelförmig zu nennen, und das Auge kann nicht unterscheiden, welche Axe die kürzeste ist, bei den meisten jedoch ist eine Axe bedeutend kürzer oder länger, als die beiden andern, senkrecht auf ihr stehenden. An der Nordküste bilden diese Geschiebe drei sehr deutliche Terrassen, als sollte eine dreifache Höhe des Meeres durch sie beurkundet werden, sie liegen wie Kugeln eines grossen Artillerie-Parks ohne alles Bindemittel über einander, weiter nach Süden aber hat sich eine sehr zarte Pflanzendecke, und zuletzt ein dünner Rasen auf ihnen gebildet.
Doch nicht die physische Beschaffenheit dieser Insel ist es, die ich hier berücksichtigen wollte, sondern ein Denkmal, das des Menschen Hand auf ihr zurück gelassen hat. Auf dem völlig nackten Theile des Geröllagers bemerkte ich, als ich müssig auf ihm umher wanderte, aus eben diesen abgerundeten Geröllen die Figur eines sogenannten Labyrinth’s oder Irrgartens zusammengesetzt. Da die Steine, aus welchen diese Figur gebildet ist, durchaus dieselben sind, welche die Natur hier in einem grossen Lager aufgehäuft hat, so kann die künstliche Steinsetzung leicht übersehen werden; ein Mal bemerkt, war es aber unmöglich, die Regelmässigkeit zu verkennen, welche noch fast gar nicht gestört war. Es scheint überflüssig, die Figur dieser Steinsetzung ausführlich zu beschreiben, da angenommen werden darf, dass wohl jeder Leser in früheren Jahren einmal mit Spielgesellen gewetteifert hat, auf der Tafel mit dem Griffel, oder vielleicht auf dem Boden, ein Labyrinth zu verzeichnen, wo innerhalb ei-{71}nes Kreises ein Gang sich mehrfach um sich selbst windet, und nur in der einzigen Oeffnung oder Lücke des äussern Kreises auslauft. Jedenfalls wird die Abbildung dieser Steinsetzung, welche hier beigelegt wird, jede weitere Beschreibung überflüssig machen.
Das Labyrinth – so mag diese Steinsetzung kurz bezeichnet werden – der Insel Wier hat in keiner Hinsicht etwas Grossartiges; der Durchmesser des äussern Kreises beträgt nur etwa 6 Ellen1 Elle (Arschin) = 28 engl. Zoll = 711,2 mm, oder etwas mehr, und die Steine haben nur 5–8, höchstens 10 Zoll Dicke. Ich würde daher keinen Augenblick gezweifelt haben, hier das Werk von eben so müssigen, Wind abwartenden Seefahrern zu finden, als wir waren, wenn ich mich nicht erinnert hätte, dieselbe Figur weit umfangreicher und aus grössern Blöcken gebildet, in einer Thalschlucht Lapplands bei dem Dorfe Ponoi gesehen zu haben, und wenn nicht auf unsrer wüsten Insel noch andere Spuren von Menschenhand sich fanden, zu deren Aufbau längere Ausdauer gehörte. Es sind dies kegelförmige Steinhaufen, die in ziemlicher Anzahl in zwei einander einschliessenden Bogenlinien stehen, und in Bezug auf die Grösse in zwei Klassen zerfallen. Die grössern sind so hoch als ein erwachsener Mann ohne ein künstliches Gestell reichen kann. Höher liessen sie sich auf dieser Insel, wo alle Mittel zu Gerüsten fehlen, nicht bauen; auf die Steinkegel selbst kann man aber nicht steigen, um weiter zu bauen, weil die Bausteine viel zu rund sind. Diese Kegel sind also wenigstens nicht von Kindern aufgetürmt. Ob sie eine andere Bedeutung haben, als bloss Zeichen des Landens zu sein, wage ich nicht zu bestimmen. Sie erinnerten mich aber an ähnliche Pyramiden aus Felsbruchstücken, die ich in Lappland und Nowaja Semlja häufig gesehen hatte. In dem letztern Lande fanden wir auf allen Bergspitzen, die wir erstiegen, eine Stein-Pyramide vor. So geneigt ist der Mensch eine Spur seines Daseins zu hinterlassen, besonders wo er sich einsam sieht, dass, wo er nicht auf Felsen schreiben kann, er wenigstens mit Felsblöcken sein Adfui hinschreibt, unbekümmert, ob sein Nachfolger errathen könne, wer der Bauende gewesen.
Von den Labyrinthen aber habe ich auf meiner letzten Reise in dem Russischen Antheile von Lappland drei gesehen, eins bei einer kleinen unbewohnten Bucht Wilowata, an der Südküste, und zwei bei dem Dorfe Ponoi, das an dem Flusse Ponoi, etwa 12 Werst von dessen Mündung liegt. Das Labyrinth von Wilowata {72} liegt auf naktem Fels und die Bausteine sind kleine scharfkantige Felstrümmer; es ist nicht grösser als das Kunstwerk auf Wier. Auch hier war es durchaus geschont und wurde noch geschont, obgleich mit uns noch 11 andere Russische Schiffe eingelaufen waren, um eine Aenderung des Windes abzuwarten, und die Mannschaft jung und alt, auf der Felsfläche umherging. Die beiden Labyrinthe bei Ponoi liegen auf der Sohle des Flussthales, jedoch auf einer etwas erhöhten Bank, die jetzt wohl nicht mehr von dem Fluss erreicht wird, und gut begrast ist. Sie sind viel grösser als die andern von mir gesehenen, haben 12 bis 15 Ellen im Durchmesser und sind aus grossen abgerundeten Geschieben gebildet. Besonders von einem dieser Labyrinthe sind die Bausteine von bedeutendern Gewichte und konnten nicht ohne Vereinigung von vielen kräftigen Männern und mit einiger Ausdauer ausgeführt werden. Diese Labyrinthe hatten zuerst in mir den Gedanken erregt, dass sie eine historische Bedeutung haben könnten, denn sie schienen zu gross, um blosse Ausgeburten der Langenweile zu sein. Auch trugen sie die Spuren des Alters an sich, denn die schwerern Blöcke waren tief eingesunken und dennoch war ihre Stellung sehr vollständig erhalten. Die Ordnung zu stören ist aber für die innern Gänge, welche aus kleinern Steinen bestehen, sehr leicht. Wenn diese dennoch ganz in der Nähe eines Dorfes, wo es an spielenden Kindern nicht fehlt, Jahrhunderte hindurch sich erhalten hat, so ist wohl nicht zu zweifeln, dass wenigstens ehemals diese Stein-Setzungen einen Werth gehabt haben. Jetzt mag ihre Erhaltung allerdings nur Sache der Gewohnheit geworden sein. Auf meine Nachfragen konnte ich von dem Priester des Ortes nur erfahren, dass die Labyrinthe bei Ponoi aus sehr alter Zeit stammen, dass man aber nicht wisse, wer sie gesetzt habe, und zu welchem Zwecke. Ein Bürger von Kem versicherte mich, eine solche Steinsetzung wurde Вавилонъ (Babylon) genannt, von einer historischen Bedeutung wusste er aber nichts, sondern er meinte, sie wären eine Aufgabe des Witzes und der Geschicklichkeit. Noch jetzt setze man wohl dergleichen, um seine Geschicklichkeit zu zeigen. Der Mann mag darin Recht haben, dass man noch jetzt zu blosser Unterhaltung dergleichen anlegt, und ich will nicht entscheiden, ob das Labyrinth an der Bucht Wilowata nicht neu ist, da sowohl der Fels als die Bausteine völlig nackt, sogar ohne Flechtenüberzüge waren, also Zeichen eines höhern Alterthums fehlten. Auffallend war mir nur, dass 15–18-jahrige Knaben, die gerade hier von einigen Schiffen {73} sich vereinigten, nicht die leicht bewegten kleineren Blöcke durcheinander warfen, (und allenfalls von Neuem hinstellten), da Knaben sonst noch mehr Freude im Zerstören von regelmässigen Bauten ohne Werth, als im Aufbau selbst finden.
Alt sind aber jedenfalls die Labyrinthe bei Ponoi, wie ich bereits bemerkt habe, und alt war auch das Labyrinth auf der Insel Wier, denn die überziehenden Flechten, die hier allein und gewiss ungemein langsam vegetiren, gingen hie und da von einem Bausteine auf das Gerölle der Unterlage über.
Von Herrn von Reguly, aus Ungarn, der durch Finnland bis nach Lappland gereist ist, erfahre ich, dass ein Labyrinth derselben Art auf einer Insel in der Tiefe des Bottnischen Meerbusens, nicht weit von der Mündung des Flusses Kemi sich finden soll. Er hat es nicht selbst gesehen, sondern nur dessen Vorhandensein von einem Eingebornen erfahren. Es muss also doch auch gross genug sein, um aufzufallen und nicht die Frucht eines gewöhnlichen Kinderspieles, weil sonst ein Eingeborner dieser Sache nicht als einer Merkwürdigkeit erwähnt hätte.
Die Bestätigung meiner Vermuthung, dass diese nordischen Labyrinthe, von denen ich nun 4 aus eigener Ansicht, und ein fünftes durch freundliche Mittheilung kenne, wenigstens früher Denkmale waren, erhielt ich auf einem ganz andern Wege, als ich mich mit den Verhandlungen über die Ansprüche auf den Besitz von Lappland bekannt zu machen suchte, welche im 16-ten und 17-ten Jahrhunderte lange zwischen Russland und dem Dänisch-Norwegischen Reiche gepflogen wurden. Karamsin, der wenigstens einen Theil der damals gewechselten Papiere, durchsehen konnte, hat uns leider nicht viel von der Begründung der Russischen Anforderungen mitgetheilt. Doch erzählt er Folgendes: Als Russische Bevollmächtigte zur Regulirung der Gränze im Jahre 1592 nach Kola kamen, und die Norwegischen nicht vorfanden, erkundigten sie sich bei den Eingebornen nach den Sagen aus der Vorzeit und erhielten diesen Bericht: «Unter den Karelen lebte einst ein berühmter Herrscher, Namens Walit oder Warent, ein Vasall von Gross-Nowgorod, ein Mann von ungemeiner Stärke und Tapferkeit. Der überzog Lappland mit Krieg, um das Murmannsche Land für sich zu gewinnen. Die Lappen suchten Hülfe bei den Norwegern, allein der Walit schlug auch die Norweger am Pogost Лѣтный Варенской, das heisst am Ufer des Waran-{74}gen Findsic, wohl Fiords?, wo er, Jahrhunderten zum Gedächtnisse, einen gewaltigen über einen Faden hohen Stein hinsetzte, um den er eine zwölffache Mauer zog, und sie Babylon nannte. Dieser Stein heisst auch noch heutigen Tages der Walit-Stein. Ein eben solches Gemäuer fand sich an der Stelle des spätern Ostrogs Kola. Man kennt noch in Lappland eine Walit’s Bucht und Walit’s Burg (Городище) mitten auf einer Insel oder einem Felsen, wo der tapfere Karelische Krieger in Sicherheit auszuruhen pflegte. Die besiegten Norweger traten dem glücklichen Walit, der mit seinem christlichen Namen Wassili hiess, und in Kexholm begraben wurde, Lappland bis zum Flusse Iwger ab, und von dieser Zeit an zahlten die Lappländer Tribut an Nowgorod.» – Die Norweger beriefen sich gegen diesen Nordischen Recken auf Saxo Grammaticus und Münster’s Cosmographie. «Die Beweise von beiden Seiten waren nicht sehr überzeugend», meint Karamsin, und giebt zu verstehen, dass man hier Märchen gegen Märchen ausgetauscht habe.*1)
Allein ist denn dieser Walit wirklich so in der Luft schwebend, an nichts in der gegenwärtigen und vergangenen Welt sich anschliessend, wie die uralten Helden Saxos z. B. Frode, der Friedbringende, der zuvörderst die halbe Welt, mit ihr Finnmarken eroberte, und dann, nachdem er zweihundert und zwanzig Könige unterworfen hatte**2), der Welt den Frieden schenkte während dessen Christus geboren wurde?***3)
Zuvörderst bemerken wir, dass von diesem Walit doch noch etwas auf der Erde ist, das seinen Namen führt, nämlich die Walitowa Guba, an den äussersten Gränzen des Russischen Lapplands in dem Bezirke der lange zwischen Russland und Norwegen streitig war. Ja die alte Beschreibung des Russischen Reiches, die Древняя Идрографiя, nennt hier noch ein Walitowa Gorodischtsche. Was auch dieses Gorodischtsche gewesen sein mag, eine Ruine, ein Denkmal oder auch nur ein Fels, es hält doch den Walit auf der Erde fest. Ja wir werden ihn gleich noch fester daran bannen, wenn wir fragen, warum der Held nachdem er zwei Namen, Walit und Warent geführt, zuletzt noch einen dritten erhielt? Anwort: weil weder Walit {75} noch Warent Eigennamen waren. Walit ist nämlich eine Wurzel von vielen Wörtern des Finnischen Sprachstammes, welche einen Herrscher bedeutet und in dem Warent ist wohl ein Wareng oder Waräger unverkennbar. Der Mann wird also Finnisch und Nowgorodisch so genannt, als ob wir sagten: er hiess Fürst oder Prince, mit seinem christlichen Taufnamen aber noch so und so. Von ihm aber dürfte wohl der Waranger-Fiord seinen Kamen haben, denn die Walitowa Guba liegt am Eingänge des Waranger Fiords.
Warum erbaute der Mann aber aus zwölffachen Mauern sein Babylon, da doch anders wo doppelte schon hinlänglich fest erscheinen, wenn man nicht mit einfachen sich begnügte, gegen die Lappen aber halbe hinlänglich gewesen wären? Antwort: weil das Bauen ihm nicht schwer ward, denn in Lappland werden die Mauern von Babylon durch einfache Reihen von Steinen erbaut. Von einem solchen Denkmale im Innern des Waranger Fiord hörte ich in Lappland erzählen, später fand ich eine Beschreibung derselben in Keilhau’s Reise nach Finnmarken*4), und kürzlich erhielt ich sogar eine Abbildung von dem Herrn von Galjävain, der vor 15 Jahren die Gränze zwischen Russland und Norwegen definitiv regulirt hat. Man sieht einen hohen aufgerichteten Felsblock, umgeben von mehreren Steinkreisen, deren äusserster nicht mehr als 12 Ellen Durchmesser hat, und die, wie Keilhau sagt, Kreise zu sein scheinen. Doch glaube ich, sie werden wohl bei der Geburt schon nicht volle Kreise gebildet haben, sondern ein Labyrinth, das, wie wir gehört haben, in Lappland Babylon, oder Russisch Wawylon heisst.
Das kleine Vorgebirge auf welchem das historische Denkmal steht, von dem wir so eben gesprochen haben, heisst Mortens Naes oder auf Deutsch Martins-Spitze, da Morten der Dänische Name für Martin ist. Da fällt uns denn ein Lappen-König Martin ein, der im Jahre 1313 in Drontheim war, dort, nachdem lange der Lappische Tribut ausgeblieben war, diesen zahlte und ihn ferner zu zahlen versprach, und der dem König Hakon seine Treue versicherte**5). Allein drei Jahr später fielen die Russen wieder in Helgeland ein***6) und mit dem Tribute der Lappen, oder Finnen, wie sie {76} in Norwegen hiessen und noch heissen, war es lange aus, da die Norweger auf heimischem Boden der jetzt oft wiederholten Einfälle der Russen bis nach Helgeland sich nicht erwehren konnten, und Lappland ganz aufgeben mussten. Es liegt in der That gar zu nahe, und man wird von dem Zusammenhange fast gezwungen unter diesen Russen wieder unsern Валитъ, Варентъ zu vermuthen, der nun unter einer vierten Bezeichnung als Russe erscheint.
Ich muss einer künftigen ausführlichen Arbeit über die Vergangenheit Lapplands überlassen nachzuweisen, wie die Nowgoroder lange Zeit die Herren in Lappland waren, und wie sie, unterstützt von den Karelen, diese Herrschaft gewonnen und behauptet haben, dort auch möge ausführlicher die Frage erörtert werden, ob der Norwegische Morten, der Nowgorodsche Waräger oder Karelische Walit dieselbe oder verschiedene Personen waren? Hier begnüge ich mich, darauf hinzuweisen, wie die Erscheinung dieses Lappen-Königs Martin, selbst nach den Nachrichten des Torfaeus gerade in die Zeit des stärksten Vordrängens der Karelen und Russen gegen Lappland fällt. Im Jahre 1302 dringen die Karelen in das nördliche Norwegische Gebiet ein. Man muss ihnen Truppen entgegen schicken. Der Lappen-Tribut bleibt nun aus. Der König von Norwegen schickt deshalb einen Vertrauten aus, um die Verhältnisse im Lande der Lappen zu untersuchen (1310). Dieser findet den König Martin, der sich auch bewegen lässt, nach Drontheim zu kommen und, wie wenigstens diese Nachricht behauptet, den restirenden Tribut zahlt, auch ihn ferner zu zahlen verspricht. Allein daraus wird nichts, vielmehr hört die Zahlung des Lappen-Tributes an Norwegen ganz auf, und die Russen plündern nun bis nach Helgeland, wo man sie bisher nicht gesehen hatte. Torfaeus, der gewiss nie von den Kolaer Aussagen gehört hatte, steht nicht an, seinen König Martin für einen guten Unterthan der Könige von Norwegen zu halten, obgleich der Erfolg ganz dagegen ist. Das Denkmal auf Mortens-Naes ist wenigstens kein Denkmal der Unterwürfigkeit, denn die Lappen nennen den Ort: Sieger-Spitze*7). Auch sagen uns Norwegische Berichte, dass gegen die eindringenden Karelen ein Augmund Jungedanz cum numeroso milite abgesendet wurde**8). Dass er besiegt wurde, sagen sie nicht, allein der ausbleibende Tribut {77} beweist es. Sehr gut aber verknüpft sich Vergangenheit und Zukunft, wenn wir einen Nowgoroder Waräger, zur Zeit als die Karelen nach Lappland vordrangen, als Führer sich aufwerfen lassen, um Abenteuer und Beute zu theilen. Der Lappen-Tribut, den Norwegen lange bezogen hatte, kommt dabei ins Stocken. Da sendet König Hakon Magnusson, einen unternehmenden Mann, dessen Namen uns die Geschichte ja auch aufbewahrt hat – er hiess Gissur Galle, – nach Finnmarken, um zu erspähen, wie die Sachen da stehen*9). Dieser dringt auch bis zum Waranger Fiord vor, und findet dort unsern Abenteurer, den die Lappen ihren König nennen, und überredet ihn, dem Könige von Norwegen sich zu unterwerfen und den restirenden Tribut zu erlegen. Der Waräger folgt auch der Einladung und erscheint in Drontheim als König Martin, gleichviel ob er schon früher diesen Namen, der vielleicht in Nowgorod nicht sehr gebräuchlich war, geführt hat, oder nicht, bringt auch Geschenke mit. Nachdem er aber des Landes Beschaffenheit erkundet und erfahren hat, dass in den nördlichen Bezirken nur sehr vereinzelte Höfe stehen, findet er es nach der Rückkehr sehr viel ergötzlicher, auf eigene Rechnung aus Helgeland Beute zu holen, als nach Drontheim Tribut zu schicken. Da mögen ihn denn die Norweger in seinem Schlupfwinkel aufgesucht und die Niederlage erlitten haben, welche das Denkmal auf Mortens-Naes der Nachwelt berichten sollte, wenn dieses sich nicht schon auf die Besiegung von Jungedanz bezieht. Ueber die Russisch-Karelischen Plünderungen scheint nun der König von Norwegen bittere Klage gegen den heiligen Stuhl geführt zu haben, der im Jahre 1346, wie er schon öfter gethan hatte, einen förmlichen Kreuzzug gegen die heidnischen, d. h. nicht katholischen, Russen, Karelen u. s. w. auschrieb, den Magnus Smeck, König von Schweden und Norwegen, im Jahre 1348 so unglücklich ausführte, dass im Frieden die Nowgoroder nicht nur in den unbestrittenen Besitz der Newa kamen, sondern auch ihre Herrschaft über Lappland befestigt wurde.
Es wäre unpassend, hier den Zusammenhang der Geschichte weiter zu verfolgen. Uns kam es nur darauf an, zu zeigen, wie durch die Art der Steinsetzung, welche in unserm Norden Babylon genannt wird, die alten Norwegischen und Russischen Nachrichten über Lappland in Zusammenhang und Harmonie gebracht werden, {78} und der König Martin, dessen Torfaeus nur mit einer Zeile erwähnt, eine historische Person wird, – um dadurch diese Art der Steinsetzung der Aufmerksamkeit der Kenner des Alterthums zu empfehlen.
Sollte diese Empfehlung, wie ich wünsche, dazu beitragen, dass noch mehr Orte, an denen solche Steinsetzungen Vorkommen, bekannt gemacht werden, so wird man dann erst mit Sicherheit entscheiden können, welchem Volke deren Gebrauch ursprünglich eigentümlich war. Dass sie aus Skandinavien stamme, scheint mir sehr zweifelhaft, da ich sie weder in den älteren Werken von Rudbeck und Ol. Worm, noch in dem neuern reichhaltigen von Sjöborg (Samlingar) abgebildet, noch auch in dem kurzen «Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde, herausgegeben von der Königlichen Gesellschaft für nordische Alterthumskunde» erwähnt finde. Möglich allerdings, dass Kennern Skandinavischer Antiquitäten auch diese Art der Steinsetzung nicht ganz unbekannt ist. Mehr Wahrscheinlichkeit hat es für jetzt doch, dass sie den Finnischen Völkern oder den Russen angehört, wodurch sie an einheimischem Interesse gewinnen würde. Dann lässt sich aber auch erwarten, dass sie noch an vielen Stellen in unserm Vaterlande vorkommt. Mein kenntnissreicher Reisegefährte, Herr Professor von Middendorff, glaubte sich zu erinnern, dass diese Steinsetzung auch den Esthen bekannt sei, doch mehr als Gegenstand der Unterhaltung. Das mag sein – auch dann gehört sie zur Characktristik des Volkes*10). In dem Obigen glaube ich aber gezeigt zu haben, dass sie ehemals zu Erinnerungszeichen oder Denkmalen verwendet wurde, wie auch jetzt deren Anwendung sein mag.
Dass der Name Babylon oder Вавилонъ erst nach Einführung der christlichen Religion gebraucht sein kann, so wenig christlich auch die Stadt Babylon war, leuchtet ein. Ob aber der Name nicht jünger ist, als der Gegenstand selbst, wird mit so vielen andern Fragen erst entschieden werden können, wenn wir über die Verbreitung dieser Steinsetzungen vollständigere Kenntniss haben.
Dass die labyrinthförmigen Zeichnungen jetzt eine weitverbreitete Unterhaltung der Russischen Jugend sei, erfahre ich von mehreren Seiten, unter ändern vom Herrn {79} Doctor Dahl. So hat man im vorigen Sommer auf der Insel Petrowski ein solches ausgegrabenes Labyrinth gesehen (Akad. Brandt) Von der russischen Jugend mag das Spiel auf die deutsche Jugend Lieflands übergegangen sein, welche auf Schiefertafeln diese Figur zu zeichnen pflegt, ohne jedoch den Namen Babylon anzuwenden, und ohne, so viel ich weiss, sie durch Steinsetzungen auszuführen. In Deutschland scheint auch das Spiel auf der Tafel wenig gekannt zu sein, wie ich aus Mittheilungen meiner von dort gebürtigten Collegen schliessen muss.
Im südlichen Russland benennt man noch jetzt ausgedehnte Eiskeller Wawylony, ein Beweis, dass dieses Wort auch für unterirdische Gänge gebraucht wurde.
Wie ich jetzt sehe, hat schon mein gelehrter College Sjögren, der auf seiner Reise nach Lappland von dem Denkmale auf Mortens-Naes hörte, dasselbe auf den Lappen-König Martin des Torfaeus bezogen, ohne jedoch diesen mit Walit zu identisiren. Die Sage von Walit scheint ihm mehr eine Personificirung des Karelischen Stammes.*11)
July 2012: In this Web version, the footnotes have been moved to the end and given numbers.
*1) | Карамз. XI. ст. 44, прим. 56. |
**2) | Dahlmanns Forschungen I. S. 243. |
***3) | Saxo Grammat. ed. L. V. |
*4) | Reise in Oest- og Vest-Finnmarken. Af B. M. Keilhau p. 15–16. |
**5) | Torfaei hist. rer. Norveg. IV. p. 439. |
***6) | ibid. p. 442. |
*7) | Keilhau p. 15. |
**8) | Torf. IV. p. 410. |
*9) | Torf. IV p. 434. |
*10) | Viele von den Steinsetzungen die Sjöborg abbildet, mögen von Kinderhänden herstammen. |
*11) | Sjögren Anteckninger om försam lingurne i Kemi-Lappmark. S. 386. |