Germanien, 1942, 143–154.
Gerlach continues his investigations into the landscape geometry of church foundations in and around Bohemia. The article includes a sequence of seven maps with detailed captions. These maps, which were not included in the IGR translation of Gerlach’s work, can be accessed by clicking on the thumbnail marked 1–7 below.
The title of this article is doubtless an allusion to the theories of Wilhelm Teudt, put forward in his 1929 book Germanische Heiligtümer, according to which “holy lines” (heilige Linien) are marked by alignments of ancient sites.
“Holy” or functional lines over Bohemia
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Eine Ordnung aus astrologischen Gesichtspunkten ist weniger im Sinn des Deutschen. Eine Ordnung aus zweckmäßigen Gesichtspunkten wird er anerkennen. Hier wird nun ein Liniennetz über die Landschaft aufgewiesen, das trotz seiner Unmäßigkeit einleuchten muß, weil es praktisch ist und zudem nicht von uns konstruiert, sondern aus geschichtlichen Gegebenheiten abgeleitet, also tatsächlich ist.
Den Lesern der Zeitschrift „Germanien“ ist schon im siebenten und achten Heft des Jahrgangs 1940 eine erste unvollkommene Stoffsammlung aus einem System von Linien vorgestellt worden, das folgende Kennzeichen trug: Gleichbenannte Orte, im gleichen Entfernungsrhythmus ausgelegt, durch die Tatsache gleicher Grundherrschaft aufeinander bezogen, führten auf eine Zentrallinie, die auf der Hohe der Prager Burg wurzelte. – In Heft zwölf des Jahrgangs 1940 der vorliegenden Zeitschrift wurde eine Erweiterung dieses Schematismus über Prag hinaus nach Süden, durch die Zebrak-Orte, gegeben. Hier mußte solange eine Lücke in der Forschung entstehen, als ein kleinlicher Sinn Gutratender, denen solche Ausweisungen „phantastisch“ erschienen, Zurückhaltung gebot. Erst als wir die Fesseln der Scheu vor der Annahme weitgeltender, überstämmischer und übernationaler, also reichsmächtiger oder kirchlicher Einrichter und Lokatoren abstreiften, konnten wir weiter kommen: Wir stachen nun vom Südwesten her, von der Hauptstadt des Ottonenreiches, in unser System hinein, und wir trafen den Kern der Sache.
Im vierten Bande auf Seite 280 in seiner „Kirchengeschichtc Böhmens“ (Prag 1878) bringt der Leitmeritzer Bischof Anton Frind beiläufig die Bemerkung, daß auch Taus ehedem eine Propstei des Inselklosters Ostrow (am Einfluß der Sassau-Sazawa in die Moldau gelegen) gewesen sei. Damit war der Schlüssel gegeben. Die Linie von Taus nach Prag führt über die Königsburg Zebrak-Betlarn und über St. Johann unter dem Felsen an der Lodenitz, auch eine Propstei von Ostro St. Johann. Der Wüstenheilige Johannes der Täufer war der Patron der Einsiedler, die das Inselkloster ansetzte. Es hatte noch Propsteien in Ottau-Zaton bei Krummau ganz im Süden des Böhmerlandes an der Moldau, und in Schlan. Ottau liegt als Abschluß an der Linie, die von Prag aus durch Ostro hindurchläuft. Die Punkte Prag-Ostro-St. Johann unter dem Felsen bilden ein gleichseitiges Dreieck mit einer Seitenlänge von {144} 22 Kilometern. Nach Schlan kommt man durch Halbierung der Strecke St. Johann–Prag oder Halbierung des Winkels bei Ostro. Die Strecke Ostro-Schlan ist 44 Kilometer lang.
Suchen wir nun zu dieser Linie Prag–Taus über Burg Zebrak, – die nichts weiter bedeutet als die Richtung der Hauptstraße ins Reich und 44 Kilometer von Taus entfernt über die alte Radina-Gauburg Alt-Pilsen führt -, eine Entsprechung über dem zweiten Zebrak-Orte weiter südlich von Prag, so kommen wir nach Prachatitz, dem Endpunkte des „Goldenen Steiges“, der von Passau her über das Gebirge in den böhmischen Kessel hinein steigt. Nun erinnern wir uns des angeblichen Baumeisters dieses „Goldenen Steiges“, - des Gebirgsheiligen des Böhmerwaldes, des Einsiedlers Günther, und spüren dessen Vergangenheit nach, die wir zur Begründung des Folgenden hier aufrollen müssen.
Der Einsiedler Günther war ein thüringischer Edelmann, ein Vorfahr des Geschlechtes der Schwarzburger Fürsten. Nach einer Romreise vertauschte er im Jahre 1008 im Kloster Nieder-Alteich bei Deggendorf an der Donau in Bayern den Waffenrock mit der Kutte eines Laienbruders der Benediktiner, – in Rinchnach gründet er drei Zellen und ein Kirchlein des heiligen Johannes des Täufers und dringt von dort aus immer weiter in das Gebirge vor, manche geistliche Zelle stiftend, in die er sich zu Zeiten zurückzog. In seiner Zelle bei Guthwasser-Hartmanitz ist er im Jahre 1045 gestorben. Im Jahre 1618 hat man dort auf dem St. Günther-Berge, der 1009 Meter hoch ist, eine steinerne Kapelle an Stelle seiner hölzernen Klause errichtet. Der Herzog Bretislaw aber ließ seinen Leichnam nach Prag bringen und bestattete ihn im Kloster Brewnow. So berichtet A. Frind in seiner „Kirchengeschichte Böhmens“ (I, S. 516, Prag 1864). Es muß uns wohl wundern, wenn A. Bachmann in seiner „Geschichte Böhmens“ (Gotha 1899, Band I, S. 198) anführt, der Eremit Günther habe „trotz der Abgeschiedenheit des Ortes innerhalb der weiten jungfräulichen Forste mit dem Kaiser wie mit den benachbarten Fürsten vielfache Beziehungen“ unterhalten.
Aber wir kartieren zunächst die Orte Nieder-Alteich, Rinchnach und den St. Günther-Berg, – siehe da! es sind von Niederalteich bis Rinchnach genau so viele Kilometer wie von Rinchnach zur St. Günther-Klause, im ganzen aber fünfundfünfzig. Und dieser ausgemessene in Nieder-Alteich abstoßende Strahl fährt geradewegs über die Chlum-Höhe in der Mitte unseres Zebrak-Systems bei dem Kloster Brewnow nach Prag auf die Höhe der Burg und des alten Kultplatzes. Demgemäß haben wir wohl mehr vom Einsiedler Günther zu halten, als daß er ein Einsiedler war, – er hat offensichtlich, wie sein Staatsbegräbnis in Brewnow beweist, im Dienste auch einer irdischen, sehr praktischen Aufgabe gestanden, und die Würdigung seiner Verdienste hat ihn die letzte Stätte dort finden lassen, wohin er täglich geschaut hat und von wo aus er geheime Fäden weiter spann, wie der Zusammenhang ergibt. Daß man von St. Günthers Berg Prag sehen konnte, bemerkt jeder Reiseführer des Böhmenwaldes. Auch Taus und Prachatitz liegen dem Blicke offen. Wenn das Volk den Wegebau als die Tätigkeit des Eremiten im Sinne behalten hat, so hat es gemerkt, was es versteht. Kein Bau indes gelingt ohne Plan, – des Eremiten Plan, wenn anders wir nun unser Zebrak-System als ein Stück seines Werkes ansehen dürfen, war gewaltig, riesenhaft, unmäßig, wenn man von dörflichen oder kleinlandschaflichen Gesichtspunkten ausgeht, – er entsprach dem weiten Raume des böhmischen Kessels, den man von seinem erhabenen Standpunkte aus fast in seiner Gänze überblickt, und er durchbrach diesen an einer bezeichnenden Stelle. Und er war ein Stück der großen Planung des Reiches! {145}
Politisch lagen die Dinge damals so, daß nach dem dritten Ottonen, der sich in Italien verschwärmte, der Bayer Heinrich II. im Jahre 1002 die Führung des Reiches antrat. Regensburg mußte als Vorort des Reiches noch bedeutungsvoller für auswärtige Beziehungen werden. In den auswärtigen Beziehungen aber spielte damals gerade Böhmen eine be-{146}deutende Rolle. Polen war dort vorgedrungen und Boleslaw Chrobry hatte seine Kräfte bis vor Meißen gebracht. 1004, nach der Rückkehr aus dem Süden, wo er sich die lombardische Königskrone aufs Haupt gesetzt hatte, befreit Heinrich Böhmen und setzt den rechtmäßigen Herzog Jaromir als lehnspflichtigen Vasallen des Reiches ein. Auf einem zweiten Italienzug wird Heinrich II. 1014 in Rom zum Kaiser gekrönt und unternimmt dann 1015 einen Strafzug gegen Boleslaw Chrobry, der versucht hatte, die Böhmen zum Abfall vom Reiche zu veranlassen.
Böhmen hatte sich in der Wahl zwischen der Bindung nach dem Osten oder Westen schon {147} unter dem Herzog Wenzel I. für den Anschluß an das Reich entschieden und hatte dann, da es noch altgläubig war, die ersten Kirchenbauten und seine kirchliche Betreuung von Regensburg her erlebt. Jetzt greift beides kräftig nach Böhmen hinein: die westliche Kultur mit den Klostergründungen und die Reichsgewalt, die doch eine schnelle Verständigung mit dem wertvollen Teilstaate brauchte. So wie der Mainzer Erzbischof beides war, Kirchenfürst und Kanzler des Reiches, so dürfte die kirchliche und weltliche Verständigung des Reiches mit Böhmen gern auf einer Linie gegangen sein, - wie es scheinen kann, auf der Linie des Einsiedlers Günther von Nieder-Alteich nach Prag.
Zwar ist diese Linie früher schon angebahnt, aber noch nicht dermaßen betont gewesen wie zu seiner Zeit. Heinrich II. errichtete im Jahre 1004 das Bistum Bamberg. Eine Linie von Bamberg nach Rinchnach schneidet die Linie Nieder-Alteich–Prag rechtwinklich, ebenso wie die Linie Taus-Prachatitz. Diese Linien in der Südostrichtung dürften neu sein wie die Aus-{148}ziehung einer älteren schon vorhandenen, von der wir bei der Betrachtung der in jener Zeit entstehenden Klöster sprechen müssen.
Im Jahre 993 nämlich hatte Adalbert-Voitech, ein Prinz aus dem Geschlechts der Slawnikinger, von Muttersseite Verwandter des sächsischen Hauses, der in Magdeburg studiert und in Prag den Bischofsstuhl nach dem Deutschen Dietmar eingenommen hatte, nach einer fluchtähnlichen Romreise und einem Aufenthalt auf dem Monte Cassino, dem Ausgangspunkt Benedikts, in Brewnow dicht an der Burgstätte Prags das Kloster St. Margaret gegründet und zwölf italienische Mönche dort angesetzt. Brewnow hatte bei der Gründung die hochgelegene Kirche zu Zebus mit zwei Meierhöfen und dem Berge Ostro 44 Kilometer im Norden Prags erhalten. Als Propsteien werden genannt Nezamysl, Kostelez ln Böhmen (?), Raygrad-Raigern in Mähren, Braunau, Politz bei Braunau und Wahlstatt in Schlesien. In Opatowitz und Podlaschütz befinden sich später bei der Gründung von Benediktinerklöstern schon Einsiedlerzellen der Abtei Brewnow. Wenn man die Linie Raigern (südlich Brünn) –Wahlstatt auszieht, berührt man auch Braunau und trifft den Heuscheuer-Berg, 919 Meter hoch, und die Große Deschnaer Koppe, 1114 Meter hoch. Von letzterer aus dürfte man die Raigerner Station wohl haben sehen können. {149}
Die Propstei zu Schlan nun, die zum Inselkloster Ostro gehört, liegt auf der Verlängerung des Stranges Raigern–Prag über Prag hinaus. Das Kloster Ostro aber, im Jahre 999 von Boleslaw dem Frommen gegründet, erscheint von Anfang an und durchaus als Tochteranstalt des bayrischen Klosters Nieder-Alteich, denn von dort her bezog es nicht nur seinen ersten Abt, den Deutschen Lambert, sondern auch alle geistlichen Brüder. So ist es wohl nicht fehl gedacht, wenn wir den Thüringer Edelmann Günther, den Einsiedler des Böhmerwaldes, der in Nieder-Alteich die Kutte nimmt, mit den Unternehmungen des Inselklosters Ostro in Beziehung bringen. Nicht, daß er die große Planung der Verständigungslinien über dle Berge hinweg geschaffen habe, wohl aber, daß er sie bedient und erweitert habe und offenbar für die Sammlung der Meldungen zuständig war, soll gesagt sein. Denn wozu wurden die Zellen und Propsteien, das sind also kleinere Niederlassungen bis zu sechs Brüdern, in solchen {150} Entfernungsrhythmen von Tages- oder Halbtagsläufen angelegt, wenn in diesem System nicht etwas Althergebrachtes und Zweckdienliches lag? Schon Herodot berichtet, daß der Perserkönig Xerxes die Meldung von der unglücklichen Seeschlacht bei Salamis über den Hellespont nach Susa auf dem dort eingerichteten Melderweg über dreitausend Kilometer Entfernung hinweg gegeben habe. „Nichts auf der Welt kann geschwinder sein als diese Boten, und das ist eine Erfindung der Perser. Nämlich sie sagen, so viel Tagereisen der ganze Weg beträgt, so viel Pferde und Leute sind ausgestellt, nämlich auf jeder Tagereise steht ein Pferd und ein Mann, und da hält sie nicht Schnee, noch Regen, noch Hitze, noch die Nacht ab, – seine vorgeschriebene Bahn muß jeder auf das eiligste vollenden. Der erste Eilbote nun übergibt den Befehl dem zweiten, der zweite dem dritten, und so bekommt es immer einer von dem ändern, wie bei den Hellenen die Fackelwanderung an dem Feste des Hephästos. Diese reitende Post nennen die Perser Angareion.“ Eine solche hier 480 vor der Zeitwende benutzte Einrichtung gab es ähnlich im germanischen Heere durch Rufposten. Die Einrichtung der christlichen Klöster und Kirchen im Gebiete der altgläubigen Slawen bedeutet die Schaffung von Brückenköpfen und vorgeschobenen Posten im Feindesland. Zu ihrer Sicherung war eine {151} Etappe nötig. Die Etappe Nezamysl, die oben genannte Propstei des Klosters Brewnow, nähert sich von Prag her dem St. Günther-Berge auf 22 Kilometer, einen halben Tagesweg für einen Boten zu Fuß. Sie hält freilich nicht die genaue Richtung auf St. Günthers Klause ein, – sie ist ja auch keine Einrichtung der Nieder-Alteicher Mönche in Ostro. Aber wo sogar der Landesherr, der Herzog Jaromir, im Jahre 1002 von seinen Nebenbuhlern, den Wrschowezen, auf dem Berge Welis überfallen und an einen Baum gebunden wird, wo diesem selben Jaromir sogar vom eigenen Bruder das Augenlicht genommen werden kann, in einem Lande mit solcher Derbheit der Äußerungen kann das Kulturwerk der deutschen Mönche nicht ohne die Aufsicht und den Schutz der Heimat bleiben. Der Prager Bischof, wenn er auch Deutscher war wie Dietmar, der erste, Thiddag aus Neu Corvey, der dritte oder {152} Ekhard, ein Verwandter Kaiser Heinrichs II. der vierte, war doch nur der Protektor der deutschen Einsprengsel im Feindesland.
Die Gründung des vierten böhmischen Klosters im Jahre 1032 beweist das nicht abzuleugnende systematische Vorgehen der Prager Mittelsstelle bei der Wahl des Ortes. 1032 zog der Einsiedler Prokop, nachdem er zuvor anscheinend in Brewnow das Gelübde abgelegt hat, in die waldige Einöde an der Sassau-Sazawa und haust dort, ganz wie der Einsiedler bei St. Johann unter dem Felsen, in einer Höhle, bis, der Sage nach ebenfalls wie dort durch eine Hirschkuh, der Herzog Bretislaw ihn entdeckt und ein prachtvolles Kloster, Sassau-Sazawa, dort errichtet. Die Stelle ist aber vierundvierzig Kilometer von Prag entfernt und liegt auf dem Strange nach Raigern, auf dem wir nun zwei Klöster und zwei Propsteien {153} finden, - zuviel, um die Anlage als Spiel des Zufalls ansprechen zu dürfen. Sassau hat später eine Propstei in Zbischow, dreiunddreißig Kilometer in östlicher Richtung entfernt gestiftet.
Hier ist es nötig, Adalberts noch einmal zu gedenken, – des zweiten Bischofs, der durch die Grafen Wrschowezen in dem Blutbade von Libitz seiner ganzen Verwandtschaft beraubt wurde und der aus Überdruß vor der slawischen Unbildsamkeit und Roheit sein Bischofsamt aufgab und vom Papst als Kulturträger in eine Richtung geschickt wurde, die uns nur zu bekannt ist, nämlich jene, die hernach St. Günther durch seine Stationen festgelegt hat, – von Nieder-Alteich über Prag hinaus. Verlängern wir nämlich diesen Strang in gerader Richtung, so schneiden wir den Zug Raigern–Wahlstatt nahe bei oder in Glogau, kommen aber schließlich in Posen an. Diesen Weg muß Adalbert von Prag aus gezogen sein, – in Preußen ist er im Jahre 997 erschlagen worden, in Gnesen hat man ihn beigesetzt. In Gnesen hat Kaiser Otto III. dann ein Erzbistum errichtet und hat eine Wallfahrt zum Grabe Adalberts unternommen, wobei, wie Samuel Großers „Lausitzsche Merkwürdigkeiten“ (Leipzig und Bautzen 1714) zum Jahre 1001 bemerken, der vierundvierzig Kilometer lange Weg von Posen bis {154} Gnesen mit farbigem Tuche belegt war! Das ist gewiß ein Beweis für die Wertschätzung der kulturellen Bahnbrecher des Ostens von seiten der Reichsgewalt einerseits wie für die technischen Mittel der Zeit anderseits. Über die technischen Mittel jener Epoche unterrichtet uns ein Wort Henne am Rhyns in seiner „Kulturgeschichte des Deutschen Volkes“ (I, S. 228), der im Papste jener Zeit, Silvester II., vorher Gerbert, „eine außerordentliche Erscheinung” sieht, von besonderer Ausbildung in bestimmten technischen Wissenschaften. „Um 950 in der Auvergne geboren, kam er durch die Gunst des Grafen Borrell von Barcelona in die Schule des Bischofs Hatto von Vich in der spanischen Mark. Daselbst wurden diejenigen Wissenschaften gepflegt, welche die benachbarten Araber von den Spätgriechen erhalten und vor dem christlichen Abendlande voraus hatten, nämlich Mathematik, Astronomie und die Theorie der Musik.” – Gerbert studiert auch in Italien, er hilft dann dem deutschgesinnten Erzbischof Adalbero von Reims, die dortige Schule zur ersten des Landes zu erheben. Er begleitet den Kaiser Otto II. nach Italien und lernt dabei den gelehrten Otrik von der Magdeburger Schule kennen. „Er verfertigte einen Himmelsglobus und richtete ihn so ein, daß er den Aufgang und Untergang der Sterne anschaulich machte, ferner ein Instrument zur Berechnung der Tages- und Nachtlängen, eine Armillarsphäre mit den Bahnen der Planeten und eine solche mit Absteckung der Sternbilder, eine Rechentafel (Abakus), eine Sonnenuhr nach Beobachtung des Polarsterns durch ein Sehrohr usw. Ungebildete Kreise hielten ihn daher für einen Zauberer.“ – Er kam 999 zur Papstwürde und starb 1003. Man wird seiner Zeit, in der ja auf Island einfache Bauern wie der „Stern-Odd“ den Himmel beobachteten, die Anlage von Etappen in unserem Sinne wohl zutrauen. Und auch Adalbert wurde nach seinem Tode in das Prag zurückgeholt, wo er gewirkt und für dessen Verfeinerung er gedient hatte. Das geschah im selben Jahre, in dem Sassau erstand, – Herzog Bretislaw und der Prager Bischof trugen den Sarg Adalberts selbst vom Rokitnitzabache bis in die Burg. In Alt-Bunzlau errichtete dann Herzog Bretislaw I. im Jahre 1045, dem Todesjahre des Einsiedlers Günther, ein Kollegiatstift. Damit verlängert er die Strecke Taus–Prag über Prag hinaus um 22 Kilometer.
Die Linie Raigern–Prag ist erst im Anfang des 12. Jahrhunderts durch Gründung des Klosters Postelberg bis zur Eger durchgeführt worden. Ihre volle Bedeutung als Hauptzug des böhmisch-mährischen Raumes wird erst erkenntlich, wenn man die Bistümer Neutra und Waitzen in unsere Karte einträgt, die auf ihr angelegt wurden. Dann ergeben sich zu der Strecke Raigern–Nieder-Alteich Parallelen von Neutra aus nach Wien und von Waitzen aus nach Raab, wo gleichfalls Bistümer entstanden. Nach dem Bistum Olmütz führt eine Senkrechte aus diesem Zug, in Raigern wurzelnd.
Auch in der Anlage der vielen folgenden Klöster ln Böhmen, hauptsächlich der Gründungen der Benediktiner und kaum über das Jahr 1200 hinaus, zeigt sich die Ausrichtung, die Ortung nach schon festgelegten Geländepunkten und die Abmessung der Wege. Und nicht nur in Böhmen läßt sich an Kult- wie an Profanbauten der deutschen Frühzeit zeigen, daß es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, Horatio, als eure Schulweisheit sich träumen läßt! Wenn aber das, was wir nach den Angaben der Chronisten nüchtern kartieren, Phantastik ist, – was ist dann Wissenschaft?