Holy Lines §2 Englische Flagge

Heilige Linien § 2

28 Beispiele heiliger Linien (meist in Niedersachsen) • Türme auf alten Kultstätten • Ortsnamen: Dören = Turm

Ich lege nunmehr etwa die Hälfte der von mir bisher festgestellten Ortungslinien vor.  Es ist die gleiche Zahl und Auswahl, wie in der ersten Auflage; auch die Ausführungen dazu sind nahezu unverändert, weil meine Bitte um Meinungsäußerung und Kritik wohl Bestätigungen und Ergänzungen, nicht aber einen Anlaß zum Fallenlassen einer Linie oder eines Ortungspunktes eingetragen hat.  Da ich leider nicht in der Lage war, die z. T. sehr wertvollen Anregungen zu bearbeiten und die Stätten zu besuchen, muß ich ihre Verwertung späterer Zeit überlassen und mich hier mit freundlichem Dank an die Einsender begnügen. 

Die an die Beispiele geknüpften Ausführungen sind größtenteils nicht nur von örtlicher Bedeutung, sondern haben auch ihren allgemeinen Wert für unsere Auffassung der germanischen Dinge, z. T. grundsätzlicher Art.  Das Örtliche konnte nicht entbehrt werden, aber es ist in Kleinschrift gesetzt. 

Weitere Ortungsbeispiele

Erklärung der hier und später gebrauchten Abkürzungen:

Aw mit folgender Gradzahl bedeutet die Winkelabweichung der Orientierungslinie von dem astronomischen Längen- oder Breitengrad, nach bestem Können gemessen, oder nach der Formel tang α = a/b ausgerechnet.  {213}

Alle kleinsten kartenmäßig mit einem Transporteur von 30 cm Durchmesser nicht mehr meßbaren Abweichungswinkel sind mit 0,05° eingeführt. 

Wenn eine Winkelabweichung nicht angegeben ist, so ist entweder der Punkt so nahe oder so tief gelegen, daß eine Messung von ihm aus und zu ihm nicht anzunehmen ist, oder es ist kein Meßpunkt vorhanden, der für uns genau oder bestimmt genug wäre. 

Das km bedeutet die Kilometerentfernung; Auss.T.  = Aussichtsturm; W = Warte; R = Ruine;Die Abkürzungen W und R werden nicht gebraucht. T.P.  = Trigonometrischer Punkt.  — Die Reihenfolge der Beispiele ist nicht nach dem Grade ihrer Wahrscheinlichkeit geordnet.  {214}

3.Hünenburg b. Bielefeld — 4 km — Aw 0,1° Sparenburg.  Die östliche Fortsetzung dieser Linie zeigt sich: — 16½ km — Aw 0,05° Friedh.  Waddenhausen — 10½ km — Aw 0,3° Kirche Brake b. Lemgo — 15 km Saalberg (südl. Alverdissen) — Saalberg (nordöstl. Sonneborn) — Denkmalsplatz südl. Reher — 13 km — Aw 0,16° Hünenschloß b.  Amelgatzen — Ostpunkt. 

Waddenhausen ist ein kirchenloser Ort; der nebst Schule an der Straßenkreuzung gelegene Friedhof ist Teil eines noch nicht kultiviert gewesenen Gemeindeplatzes.  — Der Kirchplatz der alten Ortschaft Brake charakterisiert sich durch die Straßenführung als früherer Thingplatz.  — Die mehrfach unter einer Orientierungslinie sich findenden Saalberge sagen uns, daß man mit Vorliebe die Versammlungsplätze an die vorhandenen Bergheiligtümer heranlegte.  — Einen Platz für ein Denkmal pflegt eine Gemeinde nicht anzukaufen; auch die Gemeinde Reher wird einen gutgelegenen wüsten Gemeindeplatz für das Kriegerdenkmal hergegeben haben. 

Im Hünenschloß bei Amelgatzen unweit Pyrmont haben wir eine im hohen Grade rätselhafte Ruine.  Sie ist ein Knotenpunkt des Orientierungssystems, wie auch der Friedhof Waddenhausen (Bsp. 16):

4.Hünenschloß — 18 km — Aw 0,1° Auss.T. Köterberg — 6 km Forsthaus Heiligengeisterholz — 7½ km — Aw 0,9° Heiligenberg (St. Michaelskapelle) — Südpunkt. 

Dazu nehmen wir sofort:

5.Stoppelburg — 13 km — Aw 0,1° Auss.T. Köterberg — 16 km „Hohelüchte“ (zwischen Holzminden und Stadtoldendorf) — Ostpunkt. 

Link: Köterberg Köterberg Der Köterberg, die höchste Erhebung dieser Gegend westlich der Weser, spielt in der Volkssage eine große Rolle.  Sein Name [214.1] wird im Volksmund als Götterberg gedeutet.  Von ihm aus bewarfen sich die Riesen der Urzeit mit Steinbeilen oder Felsblöcken nach dem Schwalenberge und dem Stoppelberg hinüber. 

Unsere Abbildung zeigt die vom Köterberge ausgehende Ortung nach allen vier Himmelsrichtungen, wie es mit ähnlicher Eindrücklichkeit selten zu finden ist.  Köterberg mit seinen 4 OrtungspunktenAbb. 70 Außerdem ist hier eine ganz eigenartige Grenzgestaltung der auf dem Köterberge Zusammenstoßenden drei Gebiete Westfalen, Lippe, Hannover in hohem Maße beachtlich.  Hannover schiebt sich mit einem zum Teil nur 60 m breiten Landstreifen bis unmittelbar an die alte Kultstätte heran.  Was hat das zu bedeuten?  Da die heutigen Grenzen manchmal unverändert sich aus den ältesten Zeiten herübergerettet haben, und da gar kein einleuchtender Grund aus christlicher Zeit für diese Grenzerscheinung auf dem Köterberge auszudenken ist, so dürfte die Annahme gerechtfertigt sein, daß einst aus dem Köterberge ein gemeinschaftliches Heiligtum der anstoßenden drei Gaue gewesen ist.  Möglich wäre es, daß ursprünglich der Platz, ähnlich einer Mark, gemeinschaftliches Eigentum war, und daß dann bei der Verteilung der Marken in fränkischer Zeit alle drei Beteiligten, also auch der abseits gelegene östliche Teilhaber, ihr altes Recht an der Stätte greifbar in der Hand behalten wollten.  Wahrscheinlicher aber ist, daß die auffällige Sache schon in germanischer Zeit eben deswegen entstanden ist, weil hier keine Mark war und alle drei an dem Heiligtume Beteiligten sich auf eigenem Grund und Boden an der heiligen Stätte versammeln wollten.  Das Grenzbild des Köterberges ist ein Scheinwerfer in manche Verhältnisse der vorgeschichtlichen Zeit. 

Die Grenzgestaltung der HerlingsburgAbb. 71 Noch deutlicher zeigt das folgende Bild zur Bestätigung dieses Gedankenganges die ganz gleichartige Erscheinung auf der einige Kilometer nördlicher gelegenen Herlingsburg (Hermannsburg), an deren höchstem Punkt sich Waldeck-Pyrmont mit einem engen Gebietsschlauch zwischen Lippe und Preußen heranschiebt.  Man sieht hier ganz {215} klar, daß die alten Besitzer des preußischen Teils ihren Anspruch nicht am Berggipfel als solchem, sondern ausschließlich auf das dort auf Höhe 334,6 stehende Heiligtum hatten (Beispiel 31). 

Der Stoppelberg trägt auf seiner Kuppe innerhalb eines gewaltigen Erdwerks einen mehrere Meter hohen Steinhügel, der uns von der Benutzung des Berges als orientierte Station reden kann.  Was wir im ganzen auf dem Stoppelberge vor uns haben, ist bisher noch ein völliges Rätsel.  Daß es keine mittelalterliche Wohnburg in den uns bekannten Formen gewesen sein kann, lehrt der Befund nach kurzer Untersuchung [215.1]

Über die sprachliche Bedeutung von „Hohelüchte“ kann kein Zweifel bestehen.  Wie hier werden auch sonst die Namen, die mit Licht und Leuchten zu tun haben, für uns von hoher Bedeutung, worauf wir zurückkommen werden.  Hier haben wir einen jetzt von Steinbrüchen zerrissenen Berghang „Hohelüchte“.  — Der Name „Heiligengeisterholz“ spricht für sich selbst.  Aber es ist nur eine weniger wichtige Zwischenstation.  Als mir das südlich anschließende Meßtischblatt zur Hand kam, fand ich neuerdings einen weit eindrücklicheren und bestimmteren Südpunkt in dem „Heiligen Berge“ mit seiner einsamen St. Michaelskapelle, einem allgemein anerkannten germanischen Kultplatz (— 7½ km — Aw 0,9°).  Wigand [215.2] äußert sich dazu (1817): „Ebenso wahrscheinlich ist es auch, daß die Gottesverehrungen auf diesem heiligen Berge so alt sind, wie die Ansiedlungen selbst, und daß beides bis in die germanische Zeit hinaufreicht.  Man pflegt gern an heiligen Plätzen heidnischer Gottesverehrung Kirchen und Kapellen anzulegen.“ Unsere Abb. 70 zeigt den heiligen Berg noch nicht. 

Auch zur Annahme einer Nordorientierung sowohl der Bielefelder Hünenburg, zu der wir zurückkehren, als auch der Sparenburg liegen Gründe vor, die im Zusammenhange des Ganzen nicht übersehen werden können. 

6.Hünenburg b. Bielefeld — 28 km — Aw 0,6° (Rödinghausen) Auss.T. Nonnenstein — Nordpunkt. 

Der Nonnenstein interessiert durch Volkssagen, eine derselben auch mit astronomischem Einschlag: der Stein dreht sich zur neunten Stunde.  — Gewiß haben wir hier an eine Umbiegung der Sage in christlicher Zeit zu denken.  Aber eben an eine Umbiegung.  Überall, wo sich irgendein Zusammenhang mit einer Nordorientierung zeigt, werden unsere Gedanken zwangsläufig in die vorchristliche Zeit geführt. 

7.Sparenburg in Bielefeld — 9½ km — Aw 0,1° Tieplatz Jöllenbeck Höhe 149,1 — 15½ km — Aw 0,16° Kirche Bieren — Nordpunkt.  {216}

Jöllenbeck und Bieren geben Anlaß zu besondern Erwägungen.  Die Jöllenbecker Kirche steht auf dem Platze der ersten Bodenerhebung zwischen Sparenburg und Wesergebirge, der für eine Zwischenstation der Nordlinie in Betracht kam. 

Wir haben hier einen Fall, wo wir uns zunächst um die Lage des Kirchengebäudes nicht zu kümmern brauchen.  Denn wir wissen, daß die Jöllenbecker Pfarrei eine spätere Gründung aus dem Jahre 1000 ist, als man schon keinen Wert mehr darauf zu legen brauchte, daß die Kirche genau auf den Platz des germanischen Heiligtums gesetzt wurde.  Die erste Kirche stand auch etwa 100 m abseits und nur zufällig ist die jetzige Kirche wieder herübergerückt auf den alten auf der Sparenburglinie liegenden Gerichtsplatz, der noch jetzt der „Thi“ heißt.  So liegt sie nun wieder unter Höhe 149,1, die den Gerichtsplatz krönte.  Da haben wir das alte Ortungsmal zu suchen.  — Die Bierener Kirche liegt, nahezu vereinsamt zwischen wenigen Höfen, ordnungsmäßig da, wo die Wegeführung den Versammlungsplatz einer alten Siedlung anzeigt, und zwar wiederum in der Nordorientierung der Sparenburg, an der Stelle, wo eine Zwischenstation wegen der Höhenlage erwartet werden muß

Irgendwann haben im Jöllenbecker Gebiet Menschen vor der Frage gestanden: wo legen wir den Gerichtsplatz an?  und im Bierener Gebiet hat man irgendwann gefragt: wo soll unser Versammlungsplatz sein? 

Daß die Jöllenbecker und die Bierener bei dieser Wahl der Plätze beide blindlings auf die heilige Pollinie der Sparenburg geraten seien, ist an sich schwer glaublich, aber um so weniger, je häufiger uns nun dieselben Erscheinungen entgegentreten

8.Kirche Werther (nordwestlich der Bielefelder Hünenburg) — 7½ km — Aw 0,3° Kirche Steinhagen — 6½ km — Aw 0,3° Kirche Isselhorst b. Gütersloh — Südpunkt. 

Nach Norden fortgeführt schneidet die Linie die Straßenkreuzung in „Piepenbrink“. 

Der Name findet sich mehrfach an orientierten Stationen, und zwar nach meinem bisherigen Befunde fast nur da.  Er dürfte wie Klockenbrink, Dönberg, Heulmeier, Klapperberg, Sackpfeife, Flötepfeife usw. mit den Hörsignalen zusammenhängen, die neben den Lichtsignalen von diesen Warten aus gegeben wurden. 

Diese Orientierung dreier alter Kirchen in großen Ortschaften einer dorfarmen Gegend auf den Nordpol als vierten Punkt fällt sofort ins Auge und verlangt ernstliche Beachtung, zumal wenn das angelegte Lineal nach sorgfältiger Feststellung des Meridians eine solche Genauigkeit offenbart, wie sie hier vorliegt.  An den Platz der Wertherschen Kirche mit ihrem alten „romanischen“ Turm knüpft sich noch eine besondere Sage.  Die Befreiung der „Wichbolde“ zu Werther und „in der Halle“ vom öffentlichen Dienst dürfte mit kultischen Obliegenheiten in Verbindung stehen.  An den Übergangsstellen dieser Linie über den Teutoburger Wald zeigen die Karten nichts; ob sich noch Spuren erkennen lassen, wäre festzustellen.  Steinhagen hatte schon vor seiner Trennung von Dörnberg 1334 eine alte Kapelle [216.1]

Ebenso eindrücklich wie die Werthersche ist eine Kirchenlinie nördlich Hannover in der Lüneburger Heide, wo die Kirchen noch seltener sind. 

9.Kirche Suderbruch — 6½ km — Aw 0,1° Kirche Schwarmstedt — 10 km — Thören — 10 km — Aw 0,3° Kirche Winsen a. d. Aller — Ostpunkt.  {217}

Neben der unverkennbaren Orientierung dieser drei Kirchen auf den Osterpunkt müssen wir auch das Auftreten des Namens „Thören“ für ein Dörfchen auf dieser Osterlinie, in der Mitte zwischen Schwarmstedt und Winsen, beachten, wo wegen der Entfernung eine vermittelnde Station nötig war. 

Zu Anfang meiner Untersuchungen bin ich der Namenfrage, die mit diesem Thören ernstlicher in unsere Erörterung eingreift, grundsätzlich aus dem Wege gegangen, um die durch die Namen so leicht entstehenden Irrungen zu vermeiden und erst festeren Boden unter den Füßen zu gewinnen.  Bald aber drängten sich gewisse Namen mit einer Stetigkeit an und auf die erkannten Linien, daß ich sie nicht mehr übersehen konnte.  Ich will deswegen die auf den Linien auftretenden wichtigen Namen auch in meiner Darlegung nicht unterdrücken. 

Die Gradzahl der Winkelabweichung muß in den Fällen, wo wir uns zunächst nur auf die Namen stützen können, fortgelassen werden.  Denn zumal für Messungen auf nahe Entfernung muß ein ausreichend scharf bestimmter Punkt vorhanden sein.  Diese Frage hat nur geringe Bedeutung in allen den Fällen, wo es sich nicht um höhergelegene Stationen handelt, sondern um Plätze, die wahrscheinlich in erster Linie um des religiösen Empfindungswertes willen sich auf der heiligen Linie befinden, dann aber bei unsichtigem Wetter als Zwischenstationen zur Weitergabe der Feuerzeichen benutzt werden konnten. 

Die bloßen Namen haben meine Arbeit schon mehrfach erleichtert zur Auffindung der anderen genauer bestimmten Stätten, durch die dann eine Orientierung festzustellen war.  Zu diesen Namen gehört auch „Tören, Thören, Dören, Döhren, Dooren, Doren, Dorn“ usw.  Die sehr verschiedene Aussprache des niederdeutschen Worts für Turm bis zum heutigen Tage ist mir von Kind auf persönlich bekannt; t, th, d fließen sprachlich ineinander über und der Vokal ist schriftlich meist überhaupt nicht wiederzugeben.  Daß das t lautlich nicht zu d werden könne, widerspricht der praktischen Erfahrung.  Die meisten Dören usw. scheinen mir mit Dornen nichts zu tun zu haben, sondern sie werden „Turm“ bedeuten.  Die Möglichkeit der Lautverschiebung wird durch die Schreibweise von Dornberg im 12. Jahrhundert aufs deutlichste bestätigt; damals hieß Kirchdornberg b. Bielefeld „Thornbergon“ (s. Beispiel 14).  Erstaunlich ist hier allerdings, daß die Turmbedeutung von „Dören“ in der Volkserinnerung erloschen zu sein scheint.  Aber es ist mir gar nicht mehr unwahrscheinlich, daß die Schreibkundigen des 9. Jahrhunderts gemäß 5. Mose nachgeholfen haben und die Umbiegung des Namens und seiner Bedeutung veranlaßt haben.  In Beispiel 16 wird uns noch der Name eines Forstortes sehr zu Hilfe kommen.  — Übrigens sind in unserem Falle die Regeln der Lautverschiebung um deswillen kraftlos, weil ja der Turm und auch die Erinnerung an ihn fehlte, so daß die Sprechfaulheit der Niederdeutschen, die lieber d als t sagt, freie Bahn hatte.  Diese Unart habe ich mit meinem Namen immerfort erleben müssen. 

Bei allen übrigen Dören, die nicht Turm bedeuten, ist die Ursache der Namengebung ebenfalls nicht in dem landläufigen Dorngebüsch, sondern in dem Dorngehege zu suchen, welches die Heiligtümer umgab.  Zu diesen Dornen gehörten in erster Linie die „Hülsen“ (ilex). 

Der Turm ist offenbar eine von den Formen gewesen, in denen die Alten ihre heiligen Bauten gestaltet haben.  Sowohl die Türme als auch die Glocken {218} der christlichen Kirchen müssen als ein Erbteil aus dem Germanentum angesehen werden.  Die ersten Kirchengebäude in den Mittelmeerländern hatten ebensowenig wie ihre Vorbilder, die Tempelbauten, Türme; Glocken sah Rom erst im 7. Jahrhundert, als die Berührung mit dem Germanentum bereits eine enge geworden war, und als germanische Sitten in großer Zahl vom Christentum aufgenommen wurden.  Die Glocken, die dem germanischen Kultus gedient hatten, hat man, wie es scheint, anfangs zu vernichten gesucht oder ins Wasser versenkt — daher die vielen Sagen von den versenkten Glocken.  Dann aber kam die Glockentaufe auf, wodurch die alten Glocken für den christlichen Kult brauchbar gemacht wurden; und dann wurden sie in einen Turm neben der Kirche gehängt.  Daß man — klug wie man war — auch den einen oder anderen alten Turm stehen ließ und ebenfalls umtaufte, will ich nicht behaupten aber auch nicht abstreiten.  Für uns ist jedenfalls das Dogma, die Germanen hätten niemals mit Kalkmörtel gebaut, während die ändern Völker längst den Kalkmörtel hatten, aus den dargelegten Gründen (Kap. 7) hinfällig geworden. 

Im Anschluß an „Thören“ kann ich es mir nicht versagen, auf eine Anzahl von Linien mit Türmen aufmerksam zu machen. 

Die erste erweckt auch wegen ihrer Ausdehnung von über 100 km und wegen einer Anzahl auffälliger Namen Interesse. 

10.Thören (b. Schwarmstedt) — (Lister Turm b. Hannover — 32½ m — ?) — 6 km — Kirche „Dörener Turm“ — 2½ km — Kirche Schl. Willenburg — 5½ km — Kirche Pattensen — 5½ km — Auss.T. über Marienburg — 11 km — einsame Feldberger Kirche — 8 km — Lütgenholzer Friedh. (Grenzzipfel) — 4 km — Friedh. Hohenbüchener Forsthaus — 21 km — Seilzer Turm, Forsthaus. 

Wenn sich herausstellen sollte, daß der von mir in Klammern gesetzte Lister Turm bei Hannover innerhalb des von der Linie durchschnittenen Parks einst seitlich des jetzigen Gebäudes gestanden hat, dann würde uns diese Linie also nicht weniger als fünf Türme bieten.  Aber auch ohne den Lister Turm ist sie beachtenswert wegen der zahlreichen interessanten Stellen und Namen, die ihren Weg bezeichnen und wegen ihrer Ausdehnung. 

Auch auf der Strecke zwischen Thören bei Winsen und dem Lister bzw. Döhrener Turm bei Hannover fehlen auffällige Punkte nicht ganz (z. B. die nordöstlich naheliegende Stelle des Hainhauses). 

Im sandigen Flachlande, wo Erdwerke dem schnellen Verderben preisgegeben sind, haben wir nicht viel zu erwarten.  Aber auch da war die Orientation, wie die folgende Linie zeigt.  Sie bringt uns ebenfalls einen Turm. 

11.Kattenturm, südl. Bremen — 5½ km — Aw 0,05° Dom Bremen Kirche — 11 km — Aw 0,05° St. Jürgen — 6 km — Osterholz Friedh. (nicht Kirche) — Nordpunkt. 

Der 1803 abgebrochene Kattenturm ist nach der Bremer Chronik im Jahre 1309 an dem Übergang der Landstraße nach Brinkum über die Ochtum erbaut.  Danach liegt seine Stelle für uns genau fest.  Die geographische Lage der Stationen dieser Linie habe ich im Reichsamt für Landesaufnahme — nebst einigen anderen — genau bestimmen lassen, um mich über die Tragweite etwaiger Kartenfehler zu unterrichten.  Der Turm, der Dom, das alte Kloster in der Einsamkeit!  Diese drei Punkte mit nahezu absoluter Genauigkeit auf der Nordlinie auftretend, tragen eine schlichte Überzeugungskraft in sich.  Nachträglich ist mir nun auch von kundiger Seite die unzweifelhafte kultische Bedeutung von Oesterholz, wo sich auch ein alter Pferdemarkt befindet, bestätigt worden.  Mit derartigen Erscheinungen muß sich der Kritiker einzeln auseinandersetzen.  {219}

Bremen veranlaßte mich, den Blick auf Minden und Osnabrück zu richten, und ich fand wiederum Türme auf den Linien. 

12.Mindener Dom Kirche — 3¼ km — Aw 0,4° „Wallfahrts“ mühle — 1½ km — „Thoren“ — Nordpunkt. 

Bei dem Namen „Thoren“ sind auf der Karte einzelne Häuser verzeichnet.  Nachforschen konnte ich noch nicht, aber der Name an dieser Stelle sagt genug.  Ebenso die Wallfahrtsmühle.  Warum wallfahrtete man gerade an diese auf der astronomischen Nordlinie des Mindener Doms gelegene Stelle? 

13.Domplatz in Osnabrück, Denkmal — 10 km — Aw 0,8° „Lechten“berg, Straßenkreuz.  (Den jetzigen Aussichtsturm hat man 75 m neben das Straßenkreuz gesetzt.) — 4 km — Aw 1,0° Aussichtsturm bei Schledehausen — 8½ km — Ratinger Heerlager — 9½ km — Aw 0,35° Burgruine auf dem Limberge — Ostpunkt. 

Hier haben wir als eindrücklichen Endpunkt eine mit alten Ringwällen umgebene Burgruine, ferner einen „Lechten“berg und dazu einen Turm.  Zu einem Limberge führte auch die folgende Untersuchung.  Das Wort „Dorn“ in Kirchdornberg, nordwestlich von Bielefeld, legte mir die Frage nahe, ob nicht auch hier ein Turm gemeint sei. 

14.Kirchdornberg — 16 km — Aw 0,25° Hünenburg bei Riemsloh — 6 km — Limburg (Lim = Linde). 

Diese Untersuchung lohnte sich in doppelter Richtung.  Geschichtlich brachte ich — wie bereits bemerkt — in Erfahrung, daß der Ort im 12. Jahrhundert noch „Thornbergon“ geheißen hat, wodurch meine Vermutung, daß die Bedeutung von Dorn und damit auch von Dören in vielen Berg- und Ortsnamen in der Tat „Turm“ ist, bestätigt wurde.  Das ist für unsere Forschungen überaus wertvoll.  Die germanische Bedeutung Dornbergs erhellt auch daraus, daß es der Ort eines alten Gerichts war [219.1].  Außerdem wurde mir das Ziehen dieser Linie zu einem Wegweiser zur Auffindung der Riemsloher Hünenburg, deren Lage ich nicht kannte. 

Lebhaftes Interesse erweckt unter dem Gesichtspunkt der Turmbedeutung der „Dörenberg“ bei Sternberg in Lippe. 

15.Hillentrup Kirche — 4½ km — Aw 0,4° T.P. Dörenberg bei Sternberg — 14 km — Aw 0,1° Kirche Ärzen — 9 km — Aw 0,1° Kirche Kirchohsen — Ostpunkt.  (Nordsüdlinie siehe Beispiel 29.)

Der Gipfel des Dörenberges weist eine sehr merkwürdige Störung und Durchwühlung des Bodens auf, die in hohem Grade verdächtig ist, nicht durch Anfänge eines Steinbruchs verursacht zu sein.  Steinwagen sind niemals zu dieser Stelle gefahren; ausgefahrene Wege führen vielmehr zu dem 150 m abseits liegenden Steinbruch.  Das Meßtischblatt verzeichnet drei Hünengräber und das Wort „Auss.“, obwohl jetzt der Wald die Aussicht versperrt.  Der trigonometrische Punkt 393,1 liegt etwa auf gleicher Höhe 100 m abseits.  Unser im Orte ansässiger Führer zeigte uns innerhalb der Verwühlung eine etwa 25 qm große Stelle und berichtete, daß die Umwohner an diesem kümmerlichen Orte der Verwüstung seit undenklichen Zeiten ihre Gelübde ablegen!  Man erinnere sich an das meinen Ausführungen vorangestellte erste Edikt von Nanzig!  Das Edikt hat also seinen Zweck doch nicht völlig erreicht.  Das örtlich sich gebunden fühlende religiöse Empfinden unserer Niedersachsen ließ sich nicht von der heiligen Stelle verjagen, trotzdem man auch die tiefsten Grundsteine des Baues, vielleicht auch noch das daruntersitzende Gestein herausgerissen hatte!  Das hat etwas Ergreifendes.  Aus dem Namen des Berges ersehen wir, daß der heilige Bau ein Turm gewesen sein wird.  {220}

Aber noch mehr.  Der Gipfel des Dörenbergs war der gegebene Luginsland für ein in kurzer Entfernung, 30 m tiefer gelegenes, noch gut umwalltes altes Lager, welches sich gefallen lassen muß, den Namen Polackenschanze zu tragen.  Die Geschichte sagt, daß es von den Hussiten zur Belagerung der Sternburg angelegt und mit einer Kanone ausgerüstet gewesen sei.  Mag sein, daß es einmal zu diesem Zwecke hat dienen müssen, aber daß die gewaltige Arbeit der Herstellung dieses Lagers, zu dem noch obendrein zwei mächtige Wallgräben aus mehreren 100 m Entfernung hinführten, von einem durchziehenden Hussitentrupp zu dem erwähnten Zweck geleistet worden sei, das ist aus militärischen und schlichten Vernunftsgründen einfach unglaublich.  Ehe nicht neue Ausgrabungen mehr Licht bringen als die bisherigen, sind wir wegen der Nähe des Bergheiligtums auf die Vermutung angewiesen, daß germanische Fäuste die Wälle aufgehäuft haben, und daß man das Lager in späterer Zeit vielleicht wieder benutzt hat. 

Die Ausstattung des Dörenberges wird noch vervollständigt durch den Namen einer kleinen am Berghang 1 km südöstlich gelegenen Ortschaft „Hohensonne“.  Der Zusammenhang des Namens mit dem Bergheiligtum ist nicht unwahrscheinlich.  Sehr zu beachten ist, daß der ganze Berg, dessen Gipfel der Dörenberg ist, „Sternberg“ heißt.  Die Burg (später Oberförsterei) war der Herrensitz und gab dem Lande umher seinen Namen und sein Wappen.  Ein 2½ km abseits gelegener hochinteressanter Ringwall „Altsternberg“ gibt Rätsel auf, die durch die dort gefundenen Grundmauern und Scherben noch nicht gelöst sind. 

Nunmehr dürfen wir auch wohl die aus den Erörterungen über die Varusschlacht bekannte Dörenschlucht im Teutoburger Walde als Turmschlucht erklären.  Für diese Deutung sprechen noch weitere Gründe.  In dem Sennesande, der diese Schlucht zum Teil in starken Dünen ganz bedeckt, können jetzt keine Dornen wachsen und haben es seit den Eiszeiten wahrscheinlich niemals gekonnt.  Warum also Dornenschlucht?  Nun aber kommt noch etwas hinzu, was unsere Annahme aufs beste bestätigt.  Der Forstort trägt den jetzt unverständlichen Namen „Wohr“.  Aber in den alten Urkunden heißt es „Wahrde“! [220.a]

Als ich vor wenigen Monaten die Dörenschlucht besucht, entdeckte ich auf dem ansehnlichen Hügel unmittelbar über den Retlager Quellen, die als heilige Quellen anzusehen sind, und wegen ihrer Schönheit viel aufgesucht werden, ein altes Heerlager mit noch deutlicher Umwallung.  Eine mit Schulrat Schwanold unternommene Grabung hat zu keiner anderen Annahme geführt.  Für einen Luginsland und Brandstapel auf der Paßhöhe dieses vielgestaltigen Schluchtgeländes war das Lager selbst der rechte Platz.  Auf der Umwallung an höchster Stelle, in der Nähe des Hügelrandes, wo der Hügel in auffällig sorgfältiger Trichterform zu einer der Quellen herabfällt, befindet sich eine von Urnensuchern bereits geöffnete Aufschüttung, ähnlich einem großen Hünengrabe, auf der der Turm gestanden haben wird.  Schließlich zeigt sich auch für die Dörenschlucht — als Turmschlucht — eine immerhin durch zwei bemerkenswerte Punkte gekennzeichnete Nordlinie, für die der soeben besprochene Hügel auf der Umwallung über den Quellen als Meßpunkt angesetzt ist. 

16.Dörenschlucht (Teutob. Wald) — 10 km — Aw 0,05° Friedh. Waddenhausen — 9½ km — Aw 0,15° Steinbecker Warte (Höhenzug nördl. Salzuflen) — Nordpunkt.  {221}

Der Waddenhauser Friedhof, der als Zwischenstation für die Feuerzeichen bei Nacht und unsichtigem Wetter auf der Mitte dieser Strecke notwendig war und gerade an der richtigen Stelle sich findet, ist uns bereits in unserm Beispiel Nr. 3 bekannt geworden.  Wo solche Knotenpunkte erscheinen, da dienen sie als Stütze für die Richtigkeit der Annahme beider Linien.  Die jetzige Ruine der Steinbecker Warte in dem Sattel des Salzufler Bergzuges ist durchaus als mittelalterlicher Bau anzusehen, was aber natürlich gar nichts gegen die Verwendung dieses vortrefflichen Platzes in der vorgeschichtlichen Zeit aussagt, im Gegenteil!  Dafür legen neue Funde Zeugnis ab. 

Wenn Dören auch „Turm“ heißen kann, so werden alle in Deutschland häufiger vorkommenden mit diesem Worte benannten Berge und Orte verdächtig, Träger von orientierten Warten gewesen zu sein. 

Das folgende Turm-Beispiel ist mir von persönlichem Wert gewesen.  Da es ohne Winkelmessung ist, lasse ich es ohne Nummer. 

 Wietersheimer Turm“ — 10 km — Königsberg T.P. (Porta) — 5 km — „Auf dem Leuchten“ bei Veltheim — 13 km — Bavenhäuser Mühlenberg — 19 km — Malstatt des Leistruper Waldes — Südpunkt. 

Als Knabe stellte mich mein Vater einmal vor die damals noch vorhandene Ruine des Wietersheimer Turms, von dem einige einzelne Häuser seiner Kirchengemeinde den Namen trugen, und sagte: „Was in aller Welt mag die Menschen einst wohl veranlaßt haben, gerade an dieser Stelle einen Turm zu bauen?“ Jetzt taucht dieser Turm für mich auf als Glied der obigen Linie. 

Auf die „Licht“orte werden wir zurückkommen und auch im übrigen behalte ich mir eine nähere Erläuterung dieses Beispiels mit der Malstatt im Leistruper Wald für später vor. 

17.Burg — 4½ km — „Hain“rot — 8 km — Auss.T. Sackpfeife (nördl. Biedenkopf) — 15 km — Aw 0,3° Kirche Christenberg — 22 km — Kirche Gilsenberg — 4½ km — Teufelsberg — Ostpunkt. 

Der Name „Christenberg“ kann einleuchtender Weise nur aus der Bekehrungszeit stammen, in der eine wahrscheinlich schroff heidnische Benennung des der „Abgötterei“ geweihten Ortes — vielleicht auf eigenen Wunsch der Bewohner — in eine betont christliche Benennung umgewandelt worden ist.  Die hohe Bedeutung Christenbergs für die germanische Vorgeschichte, ist mir von kundiger Seite nachträglich zu meiner Genugtuung bestätigt worden.  — Über „Sackpfeife“ siehe Beispiel 31 bei Flötepfeife

Aus der großen Zahl der mir bis jetzt aufgefallenen Orientierungslinien, auf denen die Plätze der jetzigen Aussichtstürme vorkommen und einen scharf bestimmten Anhalt für die Meßungen geben, seien hier zunächst einmal weitere Beispiele ohne Erläuterung und auch nur bruchstückweise gegeben, hauptsächlich in Anschluß an Aussichtstürme. 

18.Wittekindsburg, Porta — 13 km — Aw 0,1° Auss.T. Idaturm bei Bückeburg — 30 km — Aw 0,05° Auss.T. Annaturm im Deister — Ostpunkt. 
19.Auss.T. Idaturm bei Bückeburg — 3½ km — Aw 0,5° P. 187 über Burgruine Todemann — 3½ km — Aw 0,1° Stiftskirche Rinteln — (½ km Abdeckerei!) — Nottberg über Thie und Hilgenplatz — 8½ km — Aw 0,1° Kirche Almena — Südpunkt. 
20.Auss.T. über Ahrenfeld — 6½ km — Aw 0,1° Auss.T. über Deinsen — Ostpunkt. 
21.Auss.T. über Ahrenfeld — 4 km — Aw 0,1° Gr. Oldendorf Kirche — Nordpunkt. 
22.Auss.T. Lauensteinberg — 2 km — Aw 0,3° Bisperode Kirche — Westpunkt. 
23.Auss.T. Lauenstein — 12 km — Aw 0.2° Königszinne bei Bodenwerder — Südpunkt. 
24.Auss.T. nordöstlich Stadtoldendorf — 2 km — Aw 0.05° Ruine Homburg — Nordpunkt.  {222}
25.„Döhrenkopf“ — 2½ km — Auss.T. Deisterwarte — 6 km — Aw 0,05° „Burg“ südöstlich Altenhagen I.  — Südpunkt. 
Link: Johannissteine Johannis-
Steine
26.Auss.T. Beutling (nordwestlich Borgholzhausen) — 1½ km — Aw 0,05° Wellingholzhausen Kirche — Nordpunkt. 
27.Auss.T. Ebberg (bei Hillegossen, Bielefeld) — 15½ km — Aw 0,3° Johannissteine bei Lage — 2½ km — 0,5° Heiden Kirche — Ostpunkt. 
28.Auss.T. Ebberg — 12½ km — Aw 0,6° Schule mit Glockenbaum (jetzt Kapelle Laar) — 12 km — Aw 1,1° Kirche Bünde — 8 km — Aw 1,2° Babilonie, Höhe 295,3 — Nordpunkt. 
Link: Babilonie Babilonie

Unser Dörenberg bei Sternberg (Nr. 15) war auch Station einer Nordsüdlinie:

29.Alte Warte auf dem Dickerberge — 7¼ km — Galgenkuhle — 2 km — Aw 0,75° Dörenberg bei Sternberg — Nordpunkt. 

Die Ruine „der alten Warte“ auf dem Dickerberge, DickerbergwarteAbb. 72 die bereits als ein der „Detmolder Warte“ ganz ähnliches Bauwerk im Kapitel über Theotmalli erwähnt wurde, bringe ich im Bilde.  Die Annahme, daß sie einst ein orientierter Feuerturm des alten Kultus gewesen ist, dessen völlige Zerstörung aus irgendeinem Grunde verabsäumt wurde, ist weitaus wahrscheinlicher, als die bloße Ansicht des alten v. Donop a. a. O. [222.b] daß es eine von einem lippischen Grafen erbaute mittelalterliche Warte sei.  Bei einem Durchmesser von etwa 3,80 m hat der kreisrund mit Kalkmörtel erbaute Turmstumpf in seiner Mitte ein quadratisches Loch von 55 × 55 cm Größe, welches den Aufenthalt und das Hinaufsteigen eines Menschen vollkommen ausschließt, so daß an eine mittelalterliche Warte nicht gedacht werden kann.  Der Schlot hat unten eine nach außen gehende Öffnung, die eine Größe von 40 cm gehabt zu haben scheint.  ZiegenbergwarteAbb. 73 Die ganz gleichartigen Verhältnisse liegen bei der Ziegenbergwarte (Abb. 73), 3 km von Horn, mit ihrem gewaltigen Gräberfelde vor. 

Ein Mauerwerk von 1½ m Dicke um ein Loch mit ½ m Durchmesser herum muß seinen Zweck entweder in sich selbst oder in der Schaffung einer erhöhten Fläche gehabt haben, die jedenfalls nicht oder nicht in erster Linie zur Ausschau dienen sollte.  Dafür wäre das Loch in der Mitte nicht nur zwecklos, sondern zweckwidrig gewesen. 

Eine halbwegs vernünftige andere Erklärung des Turmstumpfes, als daß er die erhöhte Unterlage für einen Holzstoß mit Luftzuführung von unten gewesen sei, erscheint mir nicht erfindlich.  Als positive Beweise seiner kultischen Bedeutung kommen dann noch hinzu: 1. sein Name „Teufelsturm“ oder „Teufelsloch“ mit dem die Umwohner ihn benennen und die Erinnerung an die alte Kultstätte festhalten; 2. seine {223} Orientierung mit Galgenkuhle, Grotenburg und dem bereits in Beispiel 15 besprochenen Bergheiligtum auf dem Dörenberge auf der Nordsüdlinie. 

Eng um den Turm in 2 m Entfernung scheint ein kleinerer Wall als Umhegung gelaufen zu sein.  Im übrigen habe ich in der schlichten Waldeinsamkeit dieses schmalen Bergrückens keine Baureste oder Wälle gefunden.  Da der Wald gänzlich die herrliche Aussicht verhindert, die weithin vorhanden sein müßte, ist der starke Besuch des Turmstumpfes in der von Touristen nicht berührten, menschenarmen Gegend auffällig: ungezählte, in die Bäume geschnittene Namen legen Zeugnis davon ab, daß diese kümmerlichen Trümmer an reizloser Waldstelle, eine merkwürdige Anziehungskraft auf die Umwohner ausüben (vgl. Beispiel 15).